C'amma fa!

... das waren die ersten Worte, die ich auf Napolitanisch gelernt habe. Dass ich ein Jahr später meine Reise durch Italien antreten würde, hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gedacht. Mein Wortschatz hat sich inzwischen auch auf "Vaffanculo," "Ragazzi!" und "Vada a bordo, cazzo!" ausgedehnt, und wen es außer mir noch interessiert, herauszufinden, was diese Wörter bedeuten und was passiert, wenn man sie benutzt, der sei dazu eingeladen, meinen Geschichten in diesem Blog zu folgen.

Tutto bitches!

Mittwoch, 1. August 2012

Auch nach fast zwei Wochen in Italien kann ich mein Deutsch-Sein noch nicht ganz ablegen. Natürlich gebe ich mir größte Mühe, das dolce vita zu verinnerlichen, aber das süße Leben hat auch einen sauren Beigeschmack.
Ich hatte alles so schön durchgeplant: Um 9 aufstehen, um 10 mit dem Zug nach Sorrento, um dann sofort im Anschluss den Bus an die Amalfiküste zu nehmen. Dort dann ein paar Stündchen bleiben, damit ich es pünktlich zu 19 Uhr zum Flughafen schaffe, um Paolo in Empfang zu nehmen. So die Theorie.
In der Praxis sind wir viel zu spät losgegangen, wurden beim Ticketkauf von einem neapolitanischen Schlitzohr über den Tisch gezogen und saßen geschlagene zwei Stunden im Bus zur Amalfiküste, in dem wir nicht nur regelmäßig Unmengen von Schweiß ausstießen sondern vor allem auch Angstschreie aufgrund waghalsiger und hupreicher Fahrmanöver. Das "Ticket ins Paradies" wurde uns auf dem Werbeslogan des Buses versprochen - das fand ich ja schon ziemlich anmaßend, schließlich habe ich 7,20 Euro für das 24 Stunden-Ticket bezahlt, von denen ich bereit war, effektiv zwei Stunden für den Garten Eden des Amalfiparadieses aufzubringen. Mein Zeitplan war ja ziemlich strikt durchorganisiert. Um das Ganze nicht unnötig in die Länge zu ziehen: Schließlich war ich nicht 19 Uhr am Flughafen, habe aber dafür einen Bilderbuch-Sonnenuntergang an der Amalfiküste sehen können und kam mit dreistündiger Verspätung 22.15 Uhr in Neapel an. Und übrigens, Amalfie ist wirklich ein kleines Paradies. Wollt ihr mal kitschig heiraten? Macht's wie die Asiaten, die wir gesehen haben und lasst eure zukünftigen Hochzeitsfotos vor dem im Sonnenlicht funkelnden Meer schießen, damit ihr euren Kindern erzählen könnt, wie wunderschön es dort ist und warum Mama und Papa ganz große nasse Flecken unter den Armen haben.
In Neapel angekommen, klappte mir am Piazza Garibaldi sprichwörtlich schon das Messer in der Tasche auf. Einerseits, weil besagter Piazza Garibaldi in der Nacht der so ziemlich unromantischste Ort für ein Wiedersehen mit einem guten Freund ist, und andererseits, weil die Carabinieri vor meinen Augen eine Verfolgungsjagd à la Cobra 11 ablieferten, ganz zu schweigen von dem vorbeischleichenden Signore, der sich augenscheinlich nicht so viel aus meinem ach so hoch gelobten Backpackerdasein machte wie ich. Paolo - ganz in italienischer Manier - reizte das akademische Viertel bis zum bitteren Ende aus, sodass ich die Gelegenheit hatte, das nächtliche neapolitanische Flair bis zum letzten Atemzug aufzusaugen. Ab da an ging es aber glücklicherweise nur noch bergauf und ich konnte endlich die Ecken in Neapel sehen, von denen mir schon so lange vorgeschwärmt wurde. Dass kurzzeitig ein Jugendlicher vor uns lief, der sein Bauarbeiterdekolleté stolz präsentierte und nebenbei noch eine Frisur hatte wie Balotelli, rundete den Abend ab und wir fuhren lauthals "Bello impossibile"- singend zurück Richtung Portici.

Heute war dann der Tag, an dem es mir wie Schuppen von den Augen fiel, warum die Italiener [außer die, die ich schon kenne und die alle liebenswert sind ;-) ] ein hilfsbereites und liebes kleines Völkchen sind, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht immer vermuten mag.
Es dürfte für die meisten keine große Überraschung sein, dass der deutsche Begriff von Pünktlichkeit nicht immer deckungsgleich mit dem italienischen ist. Und so kam es auch, dass wir heute auf unserem Weg nach Baia, wo man angeblich Unterwasserruinen finden kann, ein paar interkulturelle Differenzen mit dem italienischen Bussystem hatten. Das Problem an besagtem System war, dass es keins gibt. Also einfach mal wie die Butter in der Sonne an der Haltestelle gewartet, um festzustellen, dass ich unter diesen Bedingungen wohl eher sterbe als die sprichwörtliche Hoffnung. Aus lauter Verzweiflung und einer Prise Galgenhumor habe ich dann einfach mal meinen Finger ganz repräsentativ rausgestreckt und siehe da: in weniger als zehn Sekunden hielt unser privates aber kostenloses Anhalter-Taxi, das uns sicher und unterhaltsam nach Baia kutschierte. Danke, lieber ragazzo! In Baia angekommen, wollten die Italiener unsere deutsche Geduld auf die Probe stellen und ließen sämtliche Schilder, die uns zu den Unterwasserruinen hätten führen können, einfach mal weg. Also den nächsten Italiener aufgesucht und den in fragmentiertem Italienisch nach dem Weg gefragt. Leider musste ich feststellen, dass ich ihn und seine vier männlichen Begleiter bei der Siesta gestört habe. Als Dank wurde ich dann gefragt, ob ich nicht mit ihnen zusammen ein Panino essen will. Dafür liebt man Italiener! Aber natürlich nicht nur dafür, sondern auch für die unermüdlichen Wegbeschreibungen, die die Italiener tagtäglich den Schilder-verwöhnten Touristen in allen erdenklichen Sprachen geben müssen. So auch die nette Italienerin, die wir nach dem Weg zum Strand gefragt haben. Zur Antwort bekamen wir: "Go left and then right, and there are tutto (alles/überall) bitches!" Wow, so genau wollte ich's gar nicht wissen, mille grazie!
 Das letzte Highlight fand dann am Strand statt, besser gesagt im Wasser. Italiener lieben Sonne so sehr, dass sie sich am liebsten stundenlang darin aufhalten. So auch die Ialienerin, die mich darauf hinweisen wollte, dass ich aber ganz schön weiß sei und mich vor der Sonne in Acht nehmen solle (zumindest glaube ich, dass sie das gesagt hat), während sie selbst aussah wie der Inbegriff eines menschgewordenen Schokoladensoufflés. Ich will nicht sagen, wir sind ins "Gespräch" gekommen, weil das ja auch voraussetzt, dass man sich gegenseitig versteht, aber das war schon eine Unterhaltung der besonderen Art. Ich war ziemlich angetan davon, wie geduldig und humorvoll auf einen Touristen eingegangen wird, der nichts als fehlerhafte Hauptsätze bilden kann. Letztendlich haben wir ein ziemlich Gesten-lastiges Gespräch über Weißheit und Deutsche im Allgemeinen geführt. Vielleicht gewöhne ich mich ja doch schneller als gedacht ans dolce vita, damit ich auch eines Tages die Touristen belächeln und vor der starken Sonne warnen kann, bevor ich sie dann auf ein Panino einlade und ihnen eine falsche Wegbeschreibung zu nicht vorhandenen Unterwasserruinen geben kann.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen