C'amma fa!

... das waren die ersten Worte, die ich auf Napolitanisch gelernt habe. Dass ich ein Jahr später meine Reise durch Italien antreten würde, hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gedacht. Mein Wortschatz hat sich inzwischen auch auf "Vaffanculo," "Ragazzi!" und "Vada a bordo, cazzo!" ausgedehnt, und wen es außer mir noch interessiert, herauszufinden, was diese Wörter bedeuten und was passiert, wenn man sie benutzt, der sei dazu eingeladen, meinen Geschichten in diesem Blog zu folgen.

Eleven! UN-DI-CI!

Donnerstag, 9. August 2012

<p>Es gibt viele Sachen, die ich mittlerweile auf Italienisch verstehe. Beispielsweise, wenn ich beim Einkauf gefragt werde, ob ich eine Tüte haben möchte oder wenn sich die Leute am Strand wundern, warum ich so weiß bin. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum man in Italien gerne versucht, die Touristen auszunehmen wie Weihnachtsgänse. Da wird einem gerne mal ein Ticket für die ganze Region verkauft, obwohl man eigentlich nur eine Einzelstrecke wollte, oder man bekommt in einer Bar einen Fingerhut Oliven für 5 Euro angedreht, den die Einheimischen kostenlos zu ihrem Getränk bekommen. Und dann hört man plötzlich aus einer Ecke "Sono tedeschi" (Das sind Deutsche). Ja, tut mir leid, das bin ich!

Eigentlich finde ich es manchmal ein bisschen schade. Italien ist ein Land mit unheimlich viel Potential. Immer tolles Wetter, unvergleichbar leckere Küche, temperamentvolle und hilfsbereite Menschen, wunderschöne Sprache, interessante Geschichte. Auf der anderen Seite tonnenweise Müll am Straßenrand, am Ticketschalter wird man angemotzt, wenn man sich wundert, von wo der Zug fährt, der eigentlich hier abfahren sollte, oder man fragt sich, warum man plötzlich 4,50 Euro für ein Getränk bezahlen soll, was eigentlich nur 3,50 Euro kostet. Einfach so, man ist ja Tourist.

Das sind zumindest ein paar Kleinigkeiten, die uns passiert sind, seit wir von Matera nach Bari gereist sind. Matera war ein Traum, wie ein geheimer Schatz am Meeresgrund. Bari ist auch sehenswert: Ein kleines Mädchen, das nachts um 11 in einer dieser Gassen rumläuft und der Meinung ist, ich müsste unbedingt ihren Hund fotografieren und dass sie etwas an meinen Haaren verändern müsste, weil ich ja nur so einen langweiligen Zopf habe. Was sie sich allerdings überhaupt nicht erklären konnte, war, wieso ich ihre Sprache nicht vernünftig sprechen kann. Daraufhin hat sie angefangen mit mir zu reden als wäre ich geistig behindert. Das hat mich in meinem Verstehensprozess zwar nur bedingt weiter gebracht, aber am Ende waren wir dann soweit, dass wir wussten, wie der Vorname des anderen ist.
Oder man beobachtet die Menschen, die sich tagsüber in ihren Erdlöchern vekriechen wie Maulwürfe und nachts auf ihren Terrassen lauern, als wäre die Straße ein Laufsteg und die Touristen Models, von denen jeder einzelne begutachtet werden müsste. Ich bin oft hin- und hergerissen zwischen Gefühlen purer Lebensfreude und dem Eindruck, dass vieles, was in Italien schief läuft, nicht immer zwangsläufig mit der "lockeren Lebensweise" zu tun hat. Wenn es irgendwie läuft, dann läuft es eben irgendwie. Camma fa!

Ein kleines Beispiel aus Bari: Sven, Ulli und ich beschlossen eines sonnigen Tages von Bari aus nach Alberobello und Locorotondo zu fahren, die für ihre Trulli - eine besondere Art von Häusern - bekannt sind. In der Touristeninformation erzählte man uns noch, dass man ganz einfach mit Trenitalia (vergleichbar mit der Deutschen Bahn) von Bari aus in diese kleinen Orte käme. Das Ende vom Lied war, dass uns der Trenitalia-Mitarbeiter am Ticketschalter anbrüllte mit "ELEVEN!" (elf auf Englisch) und "UNDICI!" (elf auf Italienisch), womit wir erstmal gar nichts anfangen konnten. Später stellte sich heraus, dass es auf Gleis 11 einen Ticketschalter eines anderen Bahnunternehmens gab, der für die beiden Orte, in die wir fahren wollten, verantwortlich war. Allerdings habe ich leider nicht Symbologie studiert, bevor ich nach Italien kam, sonst hätte ich "Signore Collericos" Botschaft vielleicht entschlüsseln können.

Den Rest unserer Zeit in Bari verbringen wir damit, herauszufinden, was man alles mit einer eigenen Küche und einem italienischen Supermarkt herbeizaubern kann. Außerdem passen wir uns dem italienischen Lebensstil an und gehen früh aus dem Haus, damit wir pünktlich um 12 Siesta machen können, um gegen 5 dann hoffentlich wieder ein schattiges Fleckchen draußen
zu finden. Meistens klappt das nicht, beispielsweise als wir einen Trip nach Polignano gemacht haben und mit einem Tretboot in See gestochen sind, um die umliegenden Grotten zu erkunden und danach ins kristallklare Meer zu springen. Aber wenn man nicht gerade einen Tagesausflug macht, ist die Stadt um die Mittagszeit wie tot. Die Rolläden sind unten, kaum eine Menschenseele auf der Straße, nicht mal ein Supermarkt hat geöffnet. Das geht dann ungefähr von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Aber nachts weiß man dann, wo Bari seine 300.000 Einwohner hat.

Gestern Abend hatten wir dann noch ein anderes interessantes Erlebnis. Sven und ich hatten uns gerade eine ungesunde Kohlenhydratbombe in den Ofen geschoben als abends plötzlich der Strom ausfiel und wir im Dunkeln saßen. Kein Problem, dachte sich der Elektriker in mir, das ist ja eine der leichtesten Übungen. Nachdem ich aber feststellen musste, dass mich auch der Sicherungskasten im Stich ließ, habe ich mich auf den Weg zu unserer Nachbarin gemacht. Nebenbei gesagt macht man sich in Italien nicht soviel daraus, ob die Wohnungstür auf oder zu ist. Man kennt sich ja. Also habe ich mal ganz vorsichtig angeklopft und wurde zu meiner Überraschung von einer Lady Mitte 40 begrüßt, die kein Geheimnis aus ihrer nudistischen Veranlagung machte und mich im quietschgelben BH und Tanga begrüßte. Ciao bella! Leider sah sie aber nicht gerade aus wie Madonna, weswegen ich mir nicht ganz sicher war, ob es jetzt erwünscht war, dass ich hin- oder weggucke. Ich habe dann irgendwas gestammelt von "Un problema... Elettricità...", woraufhin dann auch schnell Hilfe herbeieilte und unserer unfreiwillig romantischen Atmosphäre ein Ende gesetzt wurde. Sven machte dann noch kurzzeitig Bekanntschaft mit ihrem Mann/Liebhaber/Freund, der ebenfalls nur sehr spärlich bekleidet vor die Haustür trat, um seinen unförmigen Körper zur Schau zu stellen. Wer weiß, wobei wir die beiden gestört haben. So detailliert wollte ich meine Nachbarn eigentlich gar nicht kennen lernen, aber wir hatten unseren Spaß.

Das sind alles solche Sachen, über die man sich als Deutscher entweder freut oder meckert. Ich bin noch unentschlossen, welche Seite ich mehr verkörpere, aber manchmal kommt man ziemlich schwer aus seiner Haut raus.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen