C'amma fa!

... das waren die ersten Worte, die ich auf Napolitanisch gelernt habe. Dass ich ein Jahr später meine Reise durch Italien antreten würde, hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gedacht. Mein Wortschatz hat sich inzwischen auch auf "Vaffanculo," "Ragazzi!" und "Vada a bordo, cazzo!" ausgedehnt, und wen es außer mir noch interessiert, herauszufinden, was diese Wörter bedeuten und was passiert, wenn man sie benutzt, der sei dazu eingeladen, meinen Geschichten in diesem Blog zu folgen.

Die Freunde unserer Kinder sind auch unsere Freunde.

Samstag, 25. August 2012

Seit wir aus Bari abgereist sind, kann ich einen neuen Haken auf der To-Do-Liste meiner Erlebnisse in Italien machen. Diesmal unter der Rubrik: "Wie italienische Familien die Freunde ihrer Kinder behandeln."

Angefangen hat alles in Porto Cesareo, wo wir unseren Freund Paolo treffen wollten, der hier oft Urlaub mit seinen Eltern macht. Porto Cesareo kennt normalerweise niemand außer die badewütigen Italiener selbst. Porto Cesareo liegt in der Nähe von Lecce, was wiederum in Salento - vielen nur als "Spitze des Stiefels" bekannt - liegt. Also machten wir uns auf den Weg dorthin, um dann bei unserer Ankunft 23.30 Uhr in Lecce festzustellen, dass unser Bus nach Porto Cesareo sich 50 Minuten mehr Zeit genommen hatte als er eigentlich sollte. Aber man ist ja Kummer gewöhnt. Dafür wurden wir mit einem wunderschönen Meer entlohnt und ein paar neuen italienischen Bekanntschaften, denen wir am Strand begegnet sind. Unter anderem dem 94-jährigen Mario, der uns vom Krieg erzählte (was sonst) und dass er Mussolini gesehen hatte, kurz bevor er abtransportiert und erschossen wurde. Besonders begeistert war ich auch von der Yoga treibenden Italienerin, die mir meinen verloren geglaubten Schnorchel und Taucherbrille wieder mit zum Strand brachte, um ihn mir zurückzugeben. Jeden dieser Tage in Porto Cesareo trafen wir uns auch mit Paolo und seinen Eltern. Die Abende, in denen wir dort gegessen haben, liefen ungefähr so ab:

Zuerst den Primo Piatto, das ist eine Art erster Gang. In unserem Fall handelte es sich dabei meistens um einen riesigen Berg Nudeln mit Soße und Ziegenkäse.

Dann kam der Secondo Piatto, sozusagen der zweite Gang, bei dem es dann nochmal ein großes Stück Fleisch oder (für mich) wahlweise Fisch gibt, allerdings liegt dann nur der Fleischlappen auf dem Teller, kein Gemüse oder Soße oder Kartoffeln. Das gibt es alles auf einem extra Teller.

Dieser extra Teller mit Beilagen nennt sich Contorno. Paolos Mutter hatte extra Kartoffelsalat für uns gemacht, weil sie dachte, dass wir als echte Deutsche sicherlich unsere tägliche Dosis Kartoffeln vermissen würden.

Und als ob das noch nicht genug wäre, kam dann am Ende die große Schüssel Obst und ein Espresso.

Wir sind zwei mal in den Genuss so eines Luxusmenüs gekommen und wie es sich für eine richtige italienische Mama gehört, konnte sie natürlich auch kochen als hätte sie ihren Lebtag mit nichts anderem verbracht.

Abgesehen vom Essen war auch die ganze Situation im Casa Paolo sehr interessant. Besonders Paolos Vater hat sich so viel mit Svenino (dem kleinen Sven) beschäftigt, dass ich schon die Befürchtung hatte, er will ihn jeden Moment adoptieren. Die beiden saßen dann da bei 40 Grad auf dem Balkon, mit freiem Oberkörper, und verbrachten ihre Zeit damit, sich Witze zu erzählen oder über Mathematik oder Philosophie zu debattieren. Was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, waren die Worte von Paolo Vater, der zu uns sagte: "Die Freunde unserer Kinder sind auch unsere Freunde." So etwas Liebes habe ich als Fremder selten gehört, aber genau so haben sie uns auch behandelt: Wie Freunde der Familie.

So ähnlich sollte es dann auch in Bologna weitergehen. Auf unserem Höllentrip vom Süden in den Norden kamen wir auf die Idee, noch schnell Giulia anzurufen - eine Freundin von uns, die in Bologna wohnt. Eigentlich hielten wir es am Anfang nur für eine schöne Idee, uns mal mit ihr zu treffen, aber dass sie nachher diejenige sein würde, ohne die unser Aufenthalt die reinste Katastrophe geworden wäre, kam ziemlich überraschend.

Ich dachte schon ich träume, als Giulia mit ihrem Auto am Hauptbahnhof stand, um uns abzuholen. In unserer Unterkunft angekommen, kam dann die nächste Überraschung: Wir waren in einem ziemlich luxeriös aussehenden 3-Sterne-HOTEL (!) gelandet. Das mag sich jetzt nicht sehr außergewöhnlich anhören, aber für den Kakerlaken geplagten Rucksacktouristen ist das eine Art von Etablissement, das man nicht sehr oft von innen sieht. Einen Wermutstropfen gab es allerdings. Wir mussten nach einer halben Stunde Autofahrt feststellen, dass unser Hotel in einem Industriegebiet liegt, aus dem kein öffentliches Verkehrsmittel ins Zentrum führt. Die nächste Bushaltestelle war 3 km vom Hotel entfernt. Allerdings lässt auch die sich schlecht erreichen, wenn es keinen Fußweg sondern nur Ödland ringsherum gibt. Das hieß also, wir waren für den Rest unseres Bologna-Aufenthalts auf Giulia angewiesen, die uns unendlich geduldig hin- und herkutschierte. Auf unserer Autofahrt erzählte Giulia, dass ihre Eltern an diesem Tag Hochzeitstag hätten und dass wir eingeladen sind, am kleinen Beisammensitzen teilzunehmen. So kam es dann auch, und wir wurden von ihren Eltern - obwohl sie uns noch nie zuvor gesehen hatten - zum Bier und am darauffolgenden Tag zum Essen eingeladen. Es war mal wieder ein Traum: Unser Gaumen wurde mit Muscheln und Pasta verwöhnt, und dazu gab es ein kühles Bier. Ich weiß nicht, wie dieser Tag noch schöner hätte enden können (außer vielleicht mit dem Cocktail, den wir dann im Anschluss noch trinken gegangen sind). Bei Giulia zu Hause habe ich noch einen neuen Freund gefunden. Er heißt Venerdi. Venerdi heißt auf Italienisch "Freitag" und er hat 4 Beine, kurzes Fell, und große Freude daran, meine Flip Flops durch die Gegend zu tragen und anschließend darauf rumzuknabbern.

Wahrscheinlich hätte ich Bologna gehasst, wenn ich jeden Tag bei 40 Grad 3 km zur Bushaltestelle hätte laufen müssen, um dann vielleicht festzustellen, dass leider in den nächsten 3 Stunden kein Bus kommt. Aber ich bin unendlich dankbar dafür, dass alles anders gekommen ist, als wir dachten. Nach der ganzen Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, weiß ich, was das Beste an Italien ist: Die Italiener, für die es keinen Unterschied macht, wo du herkommst oder was du machst. Wenn du da bist, bist du ein Freund.

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