C'amma fa!

... das waren die ersten Worte, die ich auf Napolitanisch gelernt habe. Dass ich ein Jahr später meine Reise durch Italien antreten würde, hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gedacht. Mein Wortschatz hat sich inzwischen auch auf "Vaffanculo," "Ragazzi!" und "Vada a bordo, cazzo!" ausgedehnt, und wen es außer mir noch interessiert, herauszufinden, was diese Wörter bedeuten und was passiert, wenn man sie benutzt, der sei dazu eingeladen, meinen Geschichten in diesem Blog zu folgen.

Die Freunde unserer Kinder sind auch unsere Freunde.

Samstag, 25. August 2012

Seit wir aus Bari abgereist sind, kann ich einen neuen Haken auf der To-Do-Liste meiner Erlebnisse in Italien machen. Diesmal unter der Rubrik: "Wie italienische Familien die Freunde ihrer Kinder behandeln."

Angefangen hat alles in Porto Cesareo, wo wir unseren Freund Paolo treffen wollten, der hier oft Urlaub mit seinen Eltern macht. Porto Cesareo kennt normalerweise niemand außer die badewütigen Italiener selbst. Porto Cesareo liegt in der Nähe von Lecce, was wiederum in Salento - vielen nur als "Spitze des Stiefels" bekannt - liegt. Also machten wir uns auf den Weg dorthin, um dann bei unserer Ankunft 23.30 Uhr in Lecce festzustellen, dass unser Bus nach Porto Cesareo sich 50 Minuten mehr Zeit genommen hatte als er eigentlich sollte. Aber man ist ja Kummer gewöhnt. Dafür wurden wir mit einem wunderschönen Meer entlohnt und ein paar neuen italienischen Bekanntschaften, denen wir am Strand begegnet sind. Unter anderem dem 94-jährigen Mario, der uns vom Krieg erzählte (was sonst) und dass er Mussolini gesehen hatte, kurz bevor er abtransportiert und erschossen wurde. Besonders begeistert war ich auch von der Yoga treibenden Italienerin, die mir meinen verloren geglaubten Schnorchel und Taucherbrille wieder mit zum Strand brachte, um ihn mir zurückzugeben. Jeden dieser Tage in Porto Cesareo trafen wir uns auch mit Paolo und seinen Eltern. Die Abende, in denen wir dort gegessen haben, liefen ungefähr so ab:

Zuerst den Primo Piatto, das ist eine Art erster Gang. In unserem Fall handelte es sich dabei meistens um einen riesigen Berg Nudeln mit Soße und Ziegenkäse.

Dann kam der Secondo Piatto, sozusagen der zweite Gang, bei dem es dann nochmal ein großes Stück Fleisch oder (für mich) wahlweise Fisch gibt, allerdings liegt dann nur der Fleischlappen auf dem Teller, kein Gemüse oder Soße oder Kartoffeln. Das gibt es alles auf einem extra Teller.

Dieser extra Teller mit Beilagen nennt sich Contorno. Paolos Mutter hatte extra Kartoffelsalat für uns gemacht, weil sie dachte, dass wir als echte Deutsche sicherlich unsere tägliche Dosis Kartoffeln vermissen würden.

Und als ob das noch nicht genug wäre, kam dann am Ende die große Schüssel Obst und ein Espresso.

Wir sind zwei mal in den Genuss so eines Luxusmenüs gekommen und wie es sich für eine richtige italienische Mama gehört, konnte sie natürlich auch kochen als hätte sie ihren Lebtag mit nichts anderem verbracht.

Abgesehen vom Essen war auch die ganze Situation im Casa Paolo sehr interessant. Besonders Paolos Vater hat sich so viel mit Svenino (dem kleinen Sven) beschäftigt, dass ich schon die Befürchtung hatte, er will ihn jeden Moment adoptieren. Die beiden saßen dann da bei 40 Grad auf dem Balkon, mit freiem Oberkörper, und verbrachten ihre Zeit damit, sich Witze zu erzählen oder über Mathematik oder Philosophie zu debattieren. Was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, waren die Worte von Paolo Vater, der zu uns sagte: "Die Freunde unserer Kinder sind auch unsere Freunde." So etwas Liebes habe ich als Fremder selten gehört, aber genau so haben sie uns auch behandelt: Wie Freunde der Familie.

So ähnlich sollte es dann auch in Bologna weitergehen. Auf unserem Höllentrip vom Süden in den Norden kamen wir auf die Idee, noch schnell Giulia anzurufen - eine Freundin von uns, die in Bologna wohnt. Eigentlich hielten wir es am Anfang nur für eine schöne Idee, uns mal mit ihr zu treffen, aber dass sie nachher diejenige sein würde, ohne die unser Aufenthalt die reinste Katastrophe geworden wäre, kam ziemlich überraschend.

Ich dachte schon ich träume, als Giulia mit ihrem Auto am Hauptbahnhof stand, um uns abzuholen. In unserer Unterkunft angekommen, kam dann die nächste Überraschung: Wir waren in einem ziemlich luxeriös aussehenden 3-Sterne-HOTEL (!) gelandet. Das mag sich jetzt nicht sehr außergewöhnlich anhören, aber für den Kakerlaken geplagten Rucksacktouristen ist das eine Art von Etablissement, das man nicht sehr oft von innen sieht. Einen Wermutstropfen gab es allerdings. Wir mussten nach einer halben Stunde Autofahrt feststellen, dass unser Hotel in einem Industriegebiet liegt, aus dem kein öffentliches Verkehrsmittel ins Zentrum führt. Die nächste Bushaltestelle war 3 km vom Hotel entfernt. Allerdings lässt auch die sich schlecht erreichen, wenn es keinen Fußweg sondern nur Ödland ringsherum gibt. Das hieß also, wir waren für den Rest unseres Bologna-Aufenthalts auf Giulia angewiesen, die uns unendlich geduldig hin- und herkutschierte. Auf unserer Autofahrt erzählte Giulia, dass ihre Eltern an diesem Tag Hochzeitstag hätten und dass wir eingeladen sind, am kleinen Beisammensitzen teilzunehmen. So kam es dann auch, und wir wurden von ihren Eltern - obwohl sie uns noch nie zuvor gesehen hatten - zum Bier und am darauffolgenden Tag zum Essen eingeladen. Es war mal wieder ein Traum: Unser Gaumen wurde mit Muscheln und Pasta verwöhnt, und dazu gab es ein kühles Bier. Ich weiß nicht, wie dieser Tag noch schöner hätte enden können (außer vielleicht mit dem Cocktail, den wir dann im Anschluss noch trinken gegangen sind). Bei Giulia zu Hause habe ich noch einen neuen Freund gefunden. Er heißt Venerdi. Venerdi heißt auf Italienisch "Freitag" und er hat 4 Beine, kurzes Fell, und große Freude daran, meine Flip Flops durch die Gegend zu tragen und anschließend darauf rumzuknabbern.

Wahrscheinlich hätte ich Bologna gehasst, wenn ich jeden Tag bei 40 Grad 3 km zur Bushaltestelle hätte laufen müssen, um dann vielleicht festzustellen, dass leider in den nächsten 3 Stunden kein Bus kommt. Aber ich bin unendlich dankbar dafür, dass alles anders gekommen ist, als wir dachten. Nach der ganzen Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, weiß ich, was das Beste an Italien ist: Die Italiener, für die es keinen Unterschied macht, wo du herkommst oder was du machst. Wenn du da bist, bist du ein Freund.

Eleven! UN-DI-CI!

Donnerstag, 9. August 2012

<p>Es gibt viele Sachen, die ich mittlerweile auf Italienisch verstehe. Beispielsweise, wenn ich beim Einkauf gefragt werde, ob ich eine Tüte haben möchte oder wenn sich die Leute am Strand wundern, warum ich so weiß bin. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum man in Italien gerne versucht, die Touristen auszunehmen wie Weihnachtsgänse. Da wird einem gerne mal ein Ticket für die ganze Region verkauft, obwohl man eigentlich nur eine Einzelstrecke wollte, oder man bekommt in einer Bar einen Fingerhut Oliven für 5 Euro angedreht, den die Einheimischen kostenlos zu ihrem Getränk bekommen. Und dann hört man plötzlich aus einer Ecke "Sono tedeschi" (Das sind Deutsche). Ja, tut mir leid, das bin ich!

Eigentlich finde ich es manchmal ein bisschen schade. Italien ist ein Land mit unheimlich viel Potential. Immer tolles Wetter, unvergleichbar leckere Küche, temperamentvolle und hilfsbereite Menschen, wunderschöne Sprache, interessante Geschichte. Auf der anderen Seite tonnenweise Müll am Straßenrand, am Ticketschalter wird man angemotzt, wenn man sich wundert, von wo der Zug fährt, der eigentlich hier abfahren sollte, oder man fragt sich, warum man plötzlich 4,50 Euro für ein Getränk bezahlen soll, was eigentlich nur 3,50 Euro kostet. Einfach so, man ist ja Tourist.

Das sind zumindest ein paar Kleinigkeiten, die uns passiert sind, seit wir von Matera nach Bari gereist sind. Matera war ein Traum, wie ein geheimer Schatz am Meeresgrund. Bari ist auch sehenswert: Ein kleines Mädchen, das nachts um 11 in einer dieser Gassen rumläuft und der Meinung ist, ich müsste unbedingt ihren Hund fotografieren und dass sie etwas an meinen Haaren verändern müsste, weil ich ja nur so einen langweiligen Zopf habe. Was sie sich allerdings überhaupt nicht erklären konnte, war, wieso ich ihre Sprache nicht vernünftig sprechen kann. Daraufhin hat sie angefangen mit mir zu reden als wäre ich geistig behindert. Das hat mich in meinem Verstehensprozess zwar nur bedingt weiter gebracht, aber am Ende waren wir dann soweit, dass wir wussten, wie der Vorname des anderen ist.
Oder man beobachtet die Menschen, die sich tagsüber in ihren Erdlöchern vekriechen wie Maulwürfe und nachts auf ihren Terrassen lauern, als wäre die Straße ein Laufsteg und die Touristen Models, von denen jeder einzelne begutachtet werden müsste. Ich bin oft hin- und hergerissen zwischen Gefühlen purer Lebensfreude und dem Eindruck, dass vieles, was in Italien schief läuft, nicht immer zwangsläufig mit der "lockeren Lebensweise" zu tun hat. Wenn es irgendwie läuft, dann läuft es eben irgendwie. Camma fa!

Ein kleines Beispiel aus Bari: Sven, Ulli und ich beschlossen eines sonnigen Tages von Bari aus nach Alberobello und Locorotondo zu fahren, die für ihre Trulli - eine besondere Art von Häusern - bekannt sind. In der Touristeninformation erzählte man uns noch, dass man ganz einfach mit Trenitalia (vergleichbar mit der Deutschen Bahn) von Bari aus in diese kleinen Orte käme. Das Ende vom Lied war, dass uns der Trenitalia-Mitarbeiter am Ticketschalter anbrüllte mit "ELEVEN!" (elf auf Englisch) und "UNDICI!" (elf auf Italienisch), womit wir erstmal gar nichts anfangen konnten. Später stellte sich heraus, dass es auf Gleis 11 einen Ticketschalter eines anderen Bahnunternehmens gab, der für die beiden Orte, in die wir fahren wollten, verantwortlich war. Allerdings habe ich leider nicht Symbologie studiert, bevor ich nach Italien kam, sonst hätte ich "Signore Collericos" Botschaft vielleicht entschlüsseln können.

Den Rest unserer Zeit in Bari verbringen wir damit, herauszufinden, was man alles mit einer eigenen Küche und einem italienischen Supermarkt herbeizaubern kann. Außerdem passen wir uns dem italienischen Lebensstil an und gehen früh aus dem Haus, damit wir pünktlich um 12 Siesta machen können, um gegen 5 dann hoffentlich wieder ein schattiges Fleckchen draußen
zu finden. Meistens klappt das nicht, beispielsweise als wir einen Trip nach Polignano gemacht haben und mit einem Tretboot in See gestochen sind, um die umliegenden Grotten zu erkunden und danach ins kristallklare Meer zu springen. Aber wenn man nicht gerade einen Tagesausflug macht, ist die Stadt um die Mittagszeit wie tot. Die Rolläden sind unten, kaum eine Menschenseele auf der Straße, nicht mal ein Supermarkt hat geöffnet. Das geht dann ungefähr von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Aber nachts weiß man dann, wo Bari seine 300.000 Einwohner hat.

Gestern Abend hatten wir dann noch ein anderes interessantes Erlebnis. Sven und ich hatten uns gerade eine ungesunde Kohlenhydratbombe in den Ofen geschoben als abends plötzlich der Strom ausfiel und wir im Dunkeln saßen. Kein Problem, dachte sich der Elektriker in mir, das ist ja eine der leichtesten Übungen. Nachdem ich aber feststellen musste, dass mich auch der Sicherungskasten im Stich ließ, habe ich mich auf den Weg zu unserer Nachbarin gemacht. Nebenbei gesagt macht man sich in Italien nicht soviel daraus, ob die Wohnungstür auf oder zu ist. Man kennt sich ja. Also habe ich mal ganz vorsichtig angeklopft und wurde zu meiner Überraschung von einer Lady Mitte 40 begrüßt, die kein Geheimnis aus ihrer nudistischen Veranlagung machte und mich im quietschgelben BH und Tanga begrüßte. Ciao bella! Leider sah sie aber nicht gerade aus wie Madonna, weswegen ich mir nicht ganz sicher war, ob es jetzt erwünscht war, dass ich hin- oder weggucke. Ich habe dann irgendwas gestammelt von "Un problema... Elettricità...", woraufhin dann auch schnell Hilfe herbeieilte und unserer unfreiwillig romantischen Atmosphäre ein Ende gesetzt wurde. Sven machte dann noch kurzzeitig Bekanntschaft mit ihrem Mann/Liebhaber/Freund, der ebenfalls nur sehr spärlich bekleidet vor die Haustür trat, um seinen unförmigen Körper zur Schau zu stellen. Wer weiß, wobei wir die beiden gestört haben. So detailliert wollte ich meine Nachbarn eigentlich gar nicht kennen lernen, aber wir hatten unseren Spaß.

Das sind alles solche Sachen, über die man sich als Deutscher entweder freut oder meckert. Ich bin noch unentschlossen, welche Seite ich mehr verkörpere, aber manchmal kommt man ziemlich schwer aus seiner Haut raus.

Backpackerträume

Sonntag, 5. August 2012

0:40 Uhr in Matera. Hier ist es so ruhig wie auf dem Friedhof. Vielleicht wäre es sogar noch ruhiger, wenn der schnarchende Sven neben mir nicht so einen Krach machen würde wie der Vesuv vor seinem letzten Ausbruch. Zumindest fühlt sich die nächtliche Ruhe hier schon fast wie Einsamkeit an. Kein Hupen, kein Hundegebell, kein euphorisches Geschrei auf den Straßen. Wenn man frisch aus Neapel kommt und Matera das erste mal betritt, mag es dem einen oder anderen vorkommen, als hätte er den Schrank nach Narnia entdeckt. Auch hier vergeht die Zeit etwas langsamer als an anderen Orten der Welt, was daran liegen könnte, dass Matera mit seinen elfenbeinfarbenen Häuschen und winzig kleinen Gassen aussieht, als hätte man einfach irgendwann aufgehört, mit dem Trend der Zeit zu gehen. Und eigentlich liegt das auch gar nicht so fern, wenn man sich überlegt, dass hier seit 7000 Jahren bis in die 1950/60er Jahre noch Menschen in ihren Höhlen gelebt haben, denen die liebevolle Einrichtung ihrer Multifunktionshöhlen besser gelungen zu sein scheint als so manchem IKEA-Kunden. Das muss man sich mal überlegen: Da haben  sich Familien inklusive ihrer 6 Kinder mit ihren "Haustierchen" eine schätzungsweise 20 qm große Höhle geteilt, und mit Haustieren meine ich nicht Katzen oder Hunde, sondern Pferde und Hühner, die sich nachts auch mit in die Höhle gedrängt haben wie Sardinen in der Büchse.

Da sind Sven, Ulli und ich mit unserer Bed&Breakfast-Höhle schon etwas besser dran, wobei "besser dran" leicht untertrieben ist. Wir sind für rund 20 Euro pro Nacht im Four Seasons Hotel für Backpacker gelandet. Ein komplettes Haus fast nur für uns allein, eingerichtet wie ein Musterhaus im Katalog, mit Küche, Terasse, klinisch sauberem Kühlschrank für uns alleine, eigenem Bad mit gleichmäßig fließendem Wasser, drei richtigen (nicht wackelnden Doppelstock-) Betten mit einem Kopfkissen, das sich nicht anfühlt, als würde man seinen Kopf auf einer Wagenladung Ziegelsteine ablegen. Das sind echte Backpackerträume, die hier in Erfüllung gehen. Noch dazu wurden wir von dem charmanten Sohn unserer Hostelmama mit dem Auto vom Bus abgeholt, nachdem wir festgestellt hatten, dass sich keiner von uns die Adresse der Unterkunft, geschweige denn den Weg dahin, aufgeschrieben hatte. In unserer Unterkunft angekommen, bekamen wir dann sofort ein eisgekühltes Getränk mit Sirup aus selbst angebauten Früchten. Das Frühstück lässt sich in unserer Musterküche auch vorzüglich genießen, vorausgesetzt man ist eine Naschkatze. Wenn ihr meine ehrliche Meinung wissen wollt: Mir hängen Croissants, Marmelade und Nutella zum Halse raus. Mir fehlt meine morgendliche Käse-mit-Tomaten-Stulle. Ich habe beim ersten Frühstück wie eine Verrückte den Behälter mit den Marmeladenschächtelchen durchwühlt, in meiner unendlichen Sehnsucht nach einer kleinen Packung Streichkäse. Aber meine Käseträume blieben bis heute unerfüllt. Man kann eben nicht alles haben.

Rückblickend kann ich sagen, die Kette guter Erfahrungen nahm mit Paolos umfangreicher und liebevoller Stadtführung durch Neapel ihren Anfang. Dies war übrigens auch einer der leckersten Tage meines Lebens. Wir haben Pizza, Eis und andere Leckereien gegessen, von denen ihr euch keine Vorstellung macht! Die Kette setzte sich fort, als wir von Paolos Eltern zum Kaffee eingeladen wurden und trotz Verständigungschwierigkeiten sofort aufgenommen wurden als wären wir schon jahrelang Freunde der Familie. Auch durch Matera nahm die Kette ihren Lauf und ich bin gespannt, wie es sich in Bari entwickeln wird. Zusammenfassend haben wir bis jetzt Rom, Neapel und Matera gesehen und von da aus alles andere (wie beispielsweise Amalfie) besucht. Bari und Lecce liegen noch vor uns, bevor es dann in den Norden geht. Auf jeden Fall hatte ich noch in keinem Urlaub so viele überraschende Glücksmomente wie in Italien. Manchmal sind es eben die kleinen Dinge.

Tutto bitches!

Mittwoch, 1. August 2012

Auch nach fast zwei Wochen in Italien kann ich mein Deutsch-Sein noch nicht ganz ablegen. Natürlich gebe ich mir größte Mühe, das dolce vita zu verinnerlichen, aber das süße Leben hat auch einen sauren Beigeschmack.
Ich hatte alles so schön durchgeplant: Um 9 aufstehen, um 10 mit dem Zug nach Sorrento, um dann sofort im Anschluss den Bus an die Amalfiküste zu nehmen. Dort dann ein paar Stündchen bleiben, damit ich es pünktlich zu 19 Uhr zum Flughafen schaffe, um Paolo in Empfang zu nehmen. So die Theorie.
In der Praxis sind wir viel zu spät losgegangen, wurden beim Ticketkauf von einem neapolitanischen Schlitzohr über den Tisch gezogen und saßen geschlagene zwei Stunden im Bus zur Amalfiküste, in dem wir nicht nur regelmäßig Unmengen von Schweiß ausstießen sondern vor allem auch Angstschreie aufgrund waghalsiger und hupreicher Fahrmanöver. Das "Ticket ins Paradies" wurde uns auf dem Werbeslogan des Buses versprochen - das fand ich ja schon ziemlich anmaßend, schließlich habe ich 7,20 Euro für das 24 Stunden-Ticket bezahlt, von denen ich bereit war, effektiv zwei Stunden für den Garten Eden des Amalfiparadieses aufzubringen. Mein Zeitplan war ja ziemlich strikt durchorganisiert. Um das Ganze nicht unnötig in die Länge zu ziehen: Schließlich war ich nicht 19 Uhr am Flughafen, habe aber dafür einen Bilderbuch-Sonnenuntergang an der Amalfiküste sehen können und kam mit dreistündiger Verspätung 22.15 Uhr in Neapel an. Und übrigens, Amalfie ist wirklich ein kleines Paradies. Wollt ihr mal kitschig heiraten? Macht's wie die Asiaten, die wir gesehen haben und lasst eure zukünftigen Hochzeitsfotos vor dem im Sonnenlicht funkelnden Meer schießen, damit ihr euren Kindern erzählen könnt, wie wunderschön es dort ist und warum Mama und Papa ganz große nasse Flecken unter den Armen haben.
In Neapel angekommen, klappte mir am Piazza Garibaldi sprichwörtlich schon das Messer in der Tasche auf. Einerseits, weil besagter Piazza Garibaldi in der Nacht der so ziemlich unromantischste Ort für ein Wiedersehen mit einem guten Freund ist, und andererseits, weil die Carabinieri vor meinen Augen eine Verfolgungsjagd à la Cobra 11 ablieferten, ganz zu schweigen von dem vorbeischleichenden Signore, der sich augenscheinlich nicht so viel aus meinem ach so hoch gelobten Backpackerdasein machte wie ich. Paolo - ganz in italienischer Manier - reizte das akademische Viertel bis zum bitteren Ende aus, sodass ich die Gelegenheit hatte, das nächtliche neapolitanische Flair bis zum letzten Atemzug aufzusaugen. Ab da an ging es aber glücklicherweise nur noch bergauf und ich konnte endlich die Ecken in Neapel sehen, von denen mir schon so lange vorgeschwärmt wurde. Dass kurzzeitig ein Jugendlicher vor uns lief, der sein Bauarbeiterdekolleté stolz präsentierte und nebenbei noch eine Frisur hatte wie Balotelli, rundete den Abend ab und wir fuhren lauthals "Bello impossibile"- singend zurück Richtung Portici.

Heute war dann der Tag, an dem es mir wie Schuppen von den Augen fiel, warum die Italiener [außer die, die ich schon kenne und die alle liebenswert sind ;-) ] ein hilfsbereites und liebes kleines Völkchen sind, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht immer vermuten mag.
Es dürfte für die meisten keine große Überraschung sein, dass der deutsche Begriff von Pünktlichkeit nicht immer deckungsgleich mit dem italienischen ist. Und so kam es auch, dass wir heute auf unserem Weg nach Baia, wo man angeblich Unterwasserruinen finden kann, ein paar interkulturelle Differenzen mit dem italienischen Bussystem hatten. Das Problem an besagtem System war, dass es keins gibt. Also einfach mal wie die Butter in der Sonne an der Haltestelle gewartet, um festzustellen, dass ich unter diesen Bedingungen wohl eher sterbe als die sprichwörtliche Hoffnung. Aus lauter Verzweiflung und einer Prise Galgenhumor habe ich dann einfach mal meinen Finger ganz repräsentativ rausgestreckt und siehe da: in weniger als zehn Sekunden hielt unser privates aber kostenloses Anhalter-Taxi, das uns sicher und unterhaltsam nach Baia kutschierte. Danke, lieber ragazzo! In Baia angekommen, wollten die Italiener unsere deutsche Geduld auf die Probe stellen und ließen sämtliche Schilder, die uns zu den Unterwasserruinen hätten führen können, einfach mal weg. Also den nächsten Italiener aufgesucht und den in fragmentiertem Italienisch nach dem Weg gefragt. Leider musste ich feststellen, dass ich ihn und seine vier männlichen Begleiter bei der Siesta gestört habe. Als Dank wurde ich dann gefragt, ob ich nicht mit ihnen zusammen ein Panino essen will. Dafür liebt man Italiener! Aber natürlich nicht nur dafür, sondern auch für die unermüdlichen Wegbeschreibungen, die die Italiener tagtäglich den Schilder-verwöhnten Touristen in allen erdenklichen Sprachen geben müssen. So auch die nette Italienerin, die wir nach dem Weg zum Strand gefragt haben. Zur Antwort bekamen wir: "Go left and then right, and there are tutto (alles/überall) bitches!" Wow, so genau wollte ich's gar nicht wissen, mille grazie!
 Das letzte Highlight fand dann am Strand statt, besser gesagt im Wasser. Italiener lieben Sonne so sehr, dass sie sich am liebsten stundenlang darin aufhalten. So auch die Ialienerin, die mich darauf hinweisen wollte, dass ich aber ganz schön weiß sei und mich vor der Sonne in Acht nehmen solle (zumindest glaube ich, dass sie das gesagt hat), während sie selbst aussah wie der Inbegriff eines menschgewordenen Schokoladensoufflés. Ich will nicht sagen, wir sind ins "Gespräch" gekommen, weil das ja auch voraussetzt, dass man sich gegenseitig versteht, aber das war schon eine Unterhaltung der besonderen Art. Ich war ziemlich angetan davon, wie geduldig und humorvoll auf einen Touristen eingegangen wird, der nichts als fehlerhafte Hauptsätze bilden kann. Letztendlich haben wir ein ziemlich Gesten-lastiges Gespräch über Weißheit und Deutsche im Allgemeinen geführt. Vielleicht gewöhne ich mich ja doch schneller als gedacht ans dolce vita, damit ich auch eines Tages die Touristen belächeln und vor der starken Sonne warnen kann, bevor ich sie dann auf ein Panino einlade und ihnen eine falsche Wegbeschreibung zu nicht vorhandenen Unterwasserruinen geben kann.