C'amma fa!

... das waren die ersten Worte, die ich auf Napolitanisch gelernt habe. Dass ich ein Jahr später meine Reise durch Italien antreten würde, hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gedacht. Mein Wortschatz hat sich inzwischen auch auf "Vaffanculo," "Ragazzi!" und "Vada a bordo, cazzo!" ausgedehnt, und wen es außer mir noch interessiert, herauszufinden, was diese Wörter bedeuten und was passiert, wenn man sie benutzt, der sei dazu eingeladen, meinen Geschichten in diesem Blog zu folgen.

Wer zuerst hupt, faehrt zuerst.

Samstag, 28. Juli 2012

Nachdem wir unsere letzten Tage in Rom verbracht haben, befinden wir uns nun im schoenen Neapel. Im Nachhinein habe ich mir ueberlegt, dass Rom bei meinen Beschreibungen wahrscheinlich etwas schlecht weggekommen ist. Rom hat zweifelsohne seine schlechten Seiten, aber die schoenen ueberwiegen natuerlich. Es gibt unheimlich viel zu sehen, die Architektur ist einzigartig und von der Sonne und der Pizza will ich gar nicht erst anfangen. Also, keine Angst vorm naechsten Romurlaub - forza Roma! Aber immer schoen die Tasche festhalten.

Aber jetzt ist erstmal forza Napoli angesagt, der Ort, aus dem die Pizza kommt und wo der Vesuv nicht mehr weit ist. Das haben wir uns gleich zu Herzen genommen und haben heute direkt mal den Vesuv bestiegen. Ich habe ja schon so meine Erfahrungen mit Vulkanbesteigungen gesammelt, als ich damals in Neuseeland eine unerwartete 8-stuendige Vulkanueberquerung mitgemacht habe - mit Chucks natuerlich ;) An der Ausruestung hat sich zwar nach wie vor nichts geaendert (ausser dass die Chucks andere sind), aber zum Glueck dauert es nur ungefaehr eine halbe Stunde, bis man oben am Krater des Vesuvs ist. Man hat einen schoenen Ausblick von da oben und wenn man in den Krater reinguckt, kann man sich eigentlich kaum vorstellen, dass da mal tonnenweise Lava rausgekommen sein soll. Davon sieht man jetzt natuerlich auch nicht mehr viel, weil das Loch mittlerweile versiegt ist, und ringsherum nur noch das Vulkangestein uebrig ist. Aber der Vesuv ist noch aktiv. Was das anrichten wuerde, wenn er ausbricht, darueber macht man sich wahrscheinlich erst Gedanken, wenn man mal oben gestanden hat.

Neapel an sich ist sehr eigen und hat auch so sein eigenes kleines Universum, wenn es um Verkehrsregeln geht. Da zeahlt nur eine Regel: Wer zuerst hupt, faehrt zuerst. Ich habe heute versucht, eine Systematik in dem Hupverhalten der Italiener zu erkennen. Meine Theorie ist:

Napolitaner hupen, wenn sie...
a) jemanden gruessen moechten,
b) jemanden in engen Gassen warnen moechten, dass sie gleich um die Ecke geschossen kommen,
c) merken, dass ein Motorinofahrer sie schon wieder rechts ueberholt hat, der nun schneller sein kaltes Bier aufmachen kann als der Fahrer des kotfluegel- und auspufflosen Mercedes/Fiat/VW/Ford...,
d) einfach mal das Gefuehl haben, schon lange nicht mehr gehupt zu haben und es mal wieder an der Zeit waere.

Manche moegen Neapel auf den ersten Blick haesslich finden, weil es hier Dinge gibt, die man in Deutschland einfach nie sehen wuerde. Dazu zeahlt vor allem leider der viele Muell. Aber ich glaube, man muss Neapel mit ganz anderen Augen sehen. Als ich herkam, hatte ich viele Erwartungen, weil ich viele Geschichten von Paolo und Sven darueber gehoert habe. Ich wuerde meine Beziehung zu Neapel mal als voreingenommen bezeichnen. Aber das ist eine andere Geschichte. Als wir am Hauptbahnhof ankamen, war die Stimmung allerdings erstmal etwas gedrueckt, weil wir realisiert haben, dass unser Hostel nicht wirklich in Neapel ist, sondern in einem kleinen Vorort, der sich Portici nennt. In Portici ist alles etwas kleiner und niedlicher, der Fahrkartenschalter fuer die Circumvesuviana - so heisst hier die Tram, die uns nach Neapel bringt - ist prinzipiell nie besetzt, wenn wir dorthin kommen. Fahrkartenautomat? Fehlanzeige. Da hat man sogar in Calbe (Ost) bessere Karten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Als Tourist wird es einem hier nicht gerade sonderlich leicht gemacht. Man muss schon ziemlich gucken und auch mal mit den impulsiven Einheimischen kommunizieren, die meistens sehr schlecht oder gar nicht Englisch sprechen. Aber mit minimalen Italienischkenntnissen und Haenden und Fuessen kommt man auch hier so nach und nach an sein Ziel. Vielleicht ist es auch besser, dass wir nicht direkt in Neapel wohnen, weil es am Hauptbahnhof, dem Piazza Garibaldi, etwas gefaehrlich ist, besonders nachts. Geklaut wird auch mal gerne, aber dafuer kann man sich an jeder Ecke wieder komplett neu mit saemtlichem Firlefanz eindecken, der einem hier fuer 2 Euro hinterhergeworfen wird. So zum Beispiel die taeuschend echt aussehenden Dolce & Gabbana oder Adidas-Taschen oder auch die souveraen nachempfundenen Ray Ban Brillen. Seit ich hier bin, kann ich wirklich nicht mehr verstehen, warum sich die Leute so teuren schicki-micki Kram kaufen - in Neapel liegt das Zeug fuer 5 Euro auf der Strasse rum. Piccolo scherzo! :) Sven und ich haben auch erstmal zugeschlagen und Flip-flops fuer 2 Euro, und ein T-Shirt fuer 5 Euro ergattert. Was es mir besonders angetan hat, war der Wochenendmarkt, der heute die napolitanischen Gassen, bzw. die von Portici, zugepflastert hat - nicht nur mit Menschen, aber vor allem mit allen erdenklichen frischen Lebensmitteln, die man an jeder Ecke sehen, riechen und anfassen kann. Das war total mein Ding. Wenn ich mal alt bin, will ich auch mit meinem Korb durch die Gassen schlendern, frischen Fisch kaufen und zu Hause dann zubereiten. Danach setze ich mich dann mit meinem Glas Wein auf den Balkon und lasse mir ein kuehles Lueftchen um die Nase wehen :) So, genug davon.

Was noch auf dem Plan steht: Pompei angucken, Schnorcheln gehen und Unterwasserruinen angucken (na, wer hatte die Idee?), die Amalfikueste begutachten und auf Paolo warten, der am 31.07. wieder in Neapel ist und uns die Schoenheit seiner Stadt naeherbringen moechte. Ich bin gespannt.

Berlusconi? Bunga bunga!

Montag, 23. Juli 2012

Als wir neulich mal wieder unsere obligatorische Runde durch Rom gemacht haben, sind wir an einem Laden vorbei gekommen, der sehr alt und verstaubt aussah, aber vor allem, der bis unter die Decke mit Alkohol vollgestellt war. Also rein da! Wir trafen dann auf einen sehr netten und redseligen alten italienischen Signore, der uns trotz grosser Verstaendigungsschwierigkeiten auf Italienisch ueber "Rivoluzione in Italia" und "Merkel" aufgeklaert hat, bis er dann auf Berlusconi zu sprechen kam. Ab diesem Zeitpunkt habe ich nur noch "bunga bunga" verstanden, aber durch sein verschmitztes Laecheln war keine weitere Uebersetzung noetig. Nachdem seine Geschichten und vor allem sein Geruch uns dann doch nach einiger Zeit zum Gehen veranlasst hatten, warfen wir nochmal einen Blick in sein Schaufenster, was zu unserem grossen Erschrecken mit Weinflaschen gefuellt war, die wahlweise mit Aufdrucken von Hitler ( und der Aufschrift "Ruhm und Ehre") oder Mussolini versehen waren. Es war wie ein Autounfall: man konnte nicht hin- und auch nicht weggucken.

Ein aehnliches Gefuehl bekommt man auch bei den vielen Obachlosen, die hier teilweise auf der Strasse schlafen. An einer Frau laufen wir fast jeden Tag vorbei. Es riecht auch in vielen Strassen nach fluessigen gelben Hinterlassenschaften. Obdachlosigkeit und Armut wird einem hier direkt unter die Nase gerieben. Es ist zwar sehr traurig, aber so ist das eben. Als wir vorgestern vor einem Internetcafe standen, kam eine etwas kleinere, dickere, aeltere Frau zu uns und hielt uns ein Bild ihrer Familie unter die Nase. Als wir "no" sagten, habe ich nur verstanden, dass sie beim Weggehen sagte: "Vaffanculo!" Wahrscheinlich dachte sie, dass die dummen Touristen eh nicht wissen, was das heisst, aber Paolo hat mich vorher ueber saemtliche Schimpfwoerter aufgeklaert und ich kann euch sagen: Vaffanculo ist nichts Nettes! Eigentlich dachte ich, dass ich diejenige waere, die das eines Tages mal zu einem unliebsamen italienischen Draufgaenger sagen wuerde, aber nichts da.

Apropos Draufgaenger: Wenn man hier an einem Restaurant vorbei geht, bekommt man die Speisekarten fast schon in die Hand gedrueckt. Meistens sagt man dann "No, grazie", und tatsaechlich durfte ich dann schonmal hoeren "Prego, bella!" Italiener koennen also auch charmant (wahlweise Schleimer) sein, aber das ist uns ja nicht neu.

Bei uns ist sonst auch alles bunga bunga. Wir sind gestern das erste mal mit der Metro gefahren, die Wertgegenstaende eng an die schwitzigen Koerper gepresst, damit uns ja nichts geklaut wird. Wir haben uns schon ausgemalt, dass wir als dusselige Deutsche wahrscheinlich unsere Wertgegenstaende fest umklammern und dann am Ende doch ueberraschend feststellen, dass wir keine Klamotten mehr anhaben, wenn wir aus der Bahn steigen. Ich habe aber eine super Konstruktion entwickelt, damit mir keiner was klaut - zumindest nicht, ohne mir vorher an die Waesche zu gehen. Ich binde mir meine Tasche mit Geld und Kreditkarte jetzt wahlweise ums Bein oder Bauch. Bis jetzt laeuft das ganz gut. Zumindest haben wir damit den Piazza di Spagna, das Kolloseum, das Forum Romanum, das Pantheon und die Villa Borghese gut ueberlebt. Hoffen wir mal, dass das auch so bleibt, wenn wir unsere Route ins sehnsuechtig erwartete Neapel fortsetzen. Von da aus geht es dann weiter nach Matera, Alberobello, Locorotondo, Bari und schlussendlich nach Lecce, wo wir unseren lieben napolitanischen Freund Paolo wieder in die Arme schliessen koennen. Jippie! ;0)

Vorrei patate medie con barbecue!

Freitag, 20. Juli 2012

... so oder so aehnlich lautete meine erste Bestellung auf Italienisch. Zu meiner grossen Ueberraschung hatte ich nachher sogar das auf dem Tablett, was ich bestellt hatte. (Danke, Paolo!) Es geht also voran mit meinen Italienischkenntnissen... Den Eindruck hatte ich zwar nicht, als ich im Flugzeug sass, aber dass ich unzweifelhaft in Rom gelandet sein muss, wurde mir klar, als ich aus dem Flugzeug stieg und merkte, dass es hier selbst 20.40 Uhr noch so warm ist, wie bei uns den ganzen Sommer nicht. Zu meiner grossen Ueberraschung wurde ich am Flughafen dann sogar von Sven begruesst, mit dem ich mich eigentlich erst am Termini (Hauptbahnhof) treffen wollte. Die Hostelsituation ist hier insgesamt sehr interessant. Australien kommt mir dagegen vor wie ein Kinderspiel, wenn es darum geht, einen Platz zum Schlafen zu finden. Man koennte sagen, hier zu backpacken ist wie die naechste Stufe, backpacking fuer Fortgeschrittene sozusagen. In Rom merkt man nicht mal, wenn man vor einem Hostel steht. Wir wohnen eigentlich eher in einer kleinen Wohnung mit ein paar kleinen Zimmerchen, in denen jeweils 6 Leute auf wackeligen Betten schlafen. Der Luefter war letzte Nacht so laut, dass ich ziemlich lange nicht einschlafen konnte. Aber zumindest wurde damit das Schnarchen im Raum uebertoent. Wir haben auch einen sehr interessanten Mitbewohner, der aussieht wie ein Bilderbuch-Skandinavier, aus New York kommt, aber sehr gut Deutsch mit oesterreichischem Akzent spricht. Als er Grimms Maerchen lesen wollte, ist er dann aber an seine Grenzen gestossen und so kamen wir mit ihm ins Gespraech. Auf unserer ersten naechtlichen Tour durch Rom wussten wir sofort, was hier anders ist als in Australien. Hier liegt der Muell einfach so auf der Strasse rum, auch ein Mensch lag mal einfach so auf der Strasse rum und hat geschlafen. Die Klischees, die sich bis jetzt hier bewahrheitet haben, will ich auch mal kurz anreissen:

1.) Manche Parkluecken sind nicht groesser als einen Zentimeter.
2.) Es ist sehr heiss.
3.) Es ist sehr laut.
4.) Verkehrsregeln sind eher als eine Art Empfehlung anzusehen.
5.) Ueberall gibt es kleine Hinterhoefe mit vielen Balkonen, die bis oben hin vollgestellt sind und von denen die Waesche runterbaumelt.

So, dann wollen wir mal die Klischeekiste schliessen und diesen Post auch. Vielleicht habt ihr jetzt einen falschen Eindruck von Rom bekommen, aber ich fuer meinen Teil bin sehr fasziniert von dem ganzen Drumherum um uns. Hier ist nichts perfekt, ueberall gibt es ein bisschen Dreck oder Muell oder beides, irgendwas wackelt oder ist kaputt, oder stinkt. Aber das ist toll, das ist alles so normal, so alltaeglich.